Mit der Klasse ins Velolager – geht das?

Florian Zwahlen ist Lehrer am Oberstufenzentrum in Köniz. Er unterrichtet von der 7. bis 9. Klasse die Fächer Mathematik, Natur und Technik, Technisches Gestalten und Sport. Florian ist auch Klassenlehrer und verfolgte mit seiner Klasse ein ambitioniertes Ziel: eine mehrtägige Velotour.

Zudem nimmt Florian teil am Pilotprojekt «Das Velo im Klassenzimmer» von «Fuss Velo Köniz», welches Jugendliche animieren will, wieder vermehrt aufs Velo zu setzen.

Florian, zuerst eine persönliche Frage: Welches Verkehrsmittel benutzt du für deinen Arbeitsweg in die Schule?
Das Velo natürlich! Ein guter Einstieg in den Tag und die besten Ideen habe ich immer auf dem Velo.

Du nimmst am Pilotprojekt der Schulen Köniz teil, wo es darum geht, Kinder und Jugendliche fürs Velofahren zu animieren. Wie funktioniert das?
Meine Lehrerkollegin und ich hatten schon vor dem Pilotprojekt einige Ideen, wie wir das Velo in den Schulalltag integrieren könnten. Nachdem die Gemeinde auf uns zukam, nahm das Ganze an Fahrt auf. Wir prüften diverse Angebote und merkten fortlaufend was funktioniert, was nicht und wo es Verbesserungen braucht. Die Herausforderung seit Beginn weg ist, dass alle ein Velo haben. Dies ist noch immer ungelöst. Das Velo muss auch fahrtüchtig sein. Da haben wir dank den Velochecks, die die Könizer Schulen im Rahmen von Bike2school buchen können, eine wertvolle Hilfe zur Hand.

Wie funktionieren diese Velochecks?
Da machen fast alle Velomechaniker von Köniz mit. Sie kommen in die Schule, kontrollieren die Velos und geben bei grösseren Reparaturen den Schüler*innen einen Zettel mit, was geflickt werden muss. Organisiert und bezahlt wird das Angebot von der Fachstelle Fuss und Velo.

Welche Aktivitäten führst du mit deinen Schülerinnen und Schülern durch?
Viel Velofahren! Die Schüler*innen sollen Routine gewinnen, damit sie sicher werden. Es gibt Schüler*innen, die fahren nicht mehr Velo oder sind gar nie Velo gefahren. In der 7. Klasse gilt es zu verhindern, dass Schüler*innen nach der obligatorischen Veloprüfung in der Mittelstufe das Velo beiseitestellen. Zu den niederschwelligen Aktivitäten gehören kleine Sportausflüge während einer Doppellektion. Manchmal intensiv mit Zeit messen, manchmal kombiniert mit einer Exkursion im Fach NT oder manchmal ein Stern-OL, wo sie Zielpunkte anfahren müssen.
Gleichzeitig sind die Verkehrssicherheit und die Aneignung von Skills ein wichtiges Thema. Da eignen sich die Angebote DEFI VELO und bikecontrol sehr gut. Diese allein reichen aber nicht, um Routine zu erlangen.

Konkret zur Velotour: Wann hat eure Velotour stattgefunden und wohin ging es?
Die Velotour hat Anfang Schuljahr stattgefunden. Wir starteten von zuhause aus und waren insgesamt vier Tage unterwegs. Unser Ziel war Montreux. Die grösste Steigung, von Köniz nach Schwarzenburg, legten wir mit dem Zug zurück. Anschliessend ging es durch das Freiburger Hinterland an den Greyerzersee, Bulle, Châtel-St-Denis, schliesslich Vevey, Montreux. Es waren vier Veloetappen. Am fünften Tag, am Rückreisetag, gönnten wir uns ein paar Stunden Erholung am See in Montreux. Für die Rückreise verluden wir die Velos in den Zug.

Wie sahen deine Vorbereitungsarbeiten mit der Klasse aus?
Zentrales Element war die psychologische Vorbereitung. Ich sagte den Schüler*innen bereits zu Beginn der 7. Klasse, dass wir am Ende des 9. Schuljahres eine längere Velotour machen werden. Mit dem Ziel, dass die Schüler*innen selbständig und sicher unterwegs sind, und dass es ihnen Spass macht.
Ich wollte die Schüler*innen in die Planung von Route und Ziel einbeziehen, das hat allerdings nicht sehr gut funktioniert.

Warum?
Weil ich gemerkt habe, dass es schwierig ist für sie zu erkennen, was geht und was nicht. Zum Beispiel ist das Tessin nicht geeignet für eine Velotour. Einerseits wegen der Topografie, andererseits wegen Verkehr und mangelnder Veloinfrastruktur. Zudem liegt der Fokus bei den Schüler*innen woanders. Wichtig für sie sind das Rahmenprogramm und die Übernachtungen, welche nicht ganz dem Budget entsprochen haben (lacht).

Schliesslich habt ihr eine Lösung gefunden, die für alle motivierend war?
Der Kompromiss an den Lac Léman stimmte dann für alle. Bis zum Abfahrtstag ist die Vorbereitung auch viel Denkarbeit. Während der Planungsphase haben die Schüler*innen stark mitgeholfen und haben sich so in die Tour hineingedacht. Zum Beispiel hat ein Schüler während drei Tagen für seine Gruppe die ganze Tour navigiert.
Schaue ich nun zurück, darf ich sagen, ich würde es wieder so machen, ich würde wieder die gleiche Tour machen. Es hat mir sehr gefallen und ich glaube es war auch für die Schüler*innen ein unvergessliches Erlebnis.

Gab es Schwierigkeiten?
Ja, es gab einen Selbstunfall. Trotz Velocheck, trotz Routine, Skills-Training radelte ein Schüler direkt in ein Bachbett. Es führten diverse Faktoren zu diesem Unfall. Glücklicherweise war er nicht ernsthaft verletzt.

Wie viel Zeit hast du investiert in die Vorbereitungen?
Rein für die Velotour mit der Klasse waren es rund drei Monate. Von Mai bis zu den Sommerferien, dann die letzten zwei Wochen nach den Ferien bis zum Start intensiv. Diese zwei Wochen waren pragmatischer Natur, wie zum Beispiel das Gepäck ausmessen, damit ich die Grösse des Autos für den Gepäcktransport eruieren konnte. Glücklicherweise kam ein Vater mit seinem Auto mit. Mein persönlicher Aufwand kommt noch dazu. Ich habe viele Stunden investiert. Für ein nächstes Mal darf ich auf meine Erfahrungen zurückgreifen und da geht alles viel einfacher.

Das ist ein aufwändiges Projekt und erfordert viel Eigeninitiative. Wäre es hilfreich für Lehrpersonen, wenn Velolager als Kombipaket angeboten würden?
Ich denke ja. Vergleicht man mit den Angeboten für Skilager, GoSnow zum Beispiel, das ist gigantisch! Diese Angebote helfen mit Sicherheit, dass mehr Skilager gemacht werden. Und das wäre bei den Velolagern dasselbe. In der heutigen Zeit braucht es ohnehin Alternativen zu den Skilagern.

Würdest du anderen Lehrpersonen empfehlen, das Velo im Schulalltag zu integrieren? Welche Vorteile siehst du konkret?
Ja, ich empfehle es. Einziger Vorbehalt: Es ist hilfreich, wenn man als Lehrperson selbst gerne Velo fährt oder zumindest sportaffin ist.
Für mich ist klar, dass es Outdoor-Aktivitäten im Schulalltag braucht. Die Jugendlichen halten sich zu viel drinnen auf und machen Sachen, die nicht gesund sind. Schwimmen ist eher schwierig, Skifahren wird langsam, aber sicher zum Auslaufmodell, Wandern ist okay und sehr einfach durchzuführen. Aber Velofahren ist noch besser als Wandern, «äs fägt»! Mit dem Velo wird der Radius stark erhöht. Man kann schnell in die Badi oder in den Wald. Die Möglichkeiten werden vielfältiger. Nicht zuletzt sollen doch möglichst viele später das Velo den motorisierten Verkehrsmitteln vorziehen, da muss man früh ansetzen.

Text: Anne Bernasconi, Projektleiterin Schule+Velo